Ruhpolding: Verlag Franz Philipp Rutzen 2007, Seiten 644
ISBN 3-938646-12-5
Heinz A. Richter bespricht in seinem dritten Band der Geschichte der Insel Zypern die ersten Jahre des unabhängigen Staates. Zu Beginn seiner Analyse zeigt er, dass Zypern mit schweren politischen Hypotheken in die Unabhängigkeit von Großbritannien entlassen wurde. Die ehemalige Kolonialmacht sicherte sich flächenmäßig ausgedehnte Militärbasen. Darüber hinaus war es auch Griechenland und der Türkei erlaubt, Militär auf der Mittelmeerinsel zu stationieren. Allen drei Mächten stand zudem ein Interventionsrecht zu. Von einem wirklich unabhängigen Staat konnte vor diesem Hintergrund nur ansatzweise gesprochen werden.
Ferner war die ausgearbeitete Verfassung darauf ausgerichtet, den türkischen Zyprioten, die 18 Prozent der griechisch dominierten Inselgesellschaft ausmachten, große Mitsprachemöglichkeiten einzuräumen. Eine Festlegung, die bei vielen Menschen der griechischen Mehrheitsgesellschaft großen Unmut auslöste. Konflikte traten vor allem in den von beiden Volksgruppen geprägten Städten auf. Dort richteten sie getrennte Stadtverwaltungen ein.
Im zweiten Teil seiner Abhandlung beschreibt Heinz A. Richter ein weiteres Manko des jungen unabhängigen Staates. Er wurde von einer Mehrheit der Bevölkerung in seiner als aufoktroyiert empfundenen Gestalt abgelehnt. Die griechischen Zyprioten wünschten sich in großer Zahl die Vereinigung mit dem griechischen Mutterland. Was wiederum türkische Zyprioten ablehnten. Sie diskutieren stattdessen die Teilung der Insel und den Anschluss des türkisch geprägten Territoriums an die Türkei. Während Athen und Ankara ihren Einfluss auf die Inselpolitik verstärkten, steuerte Präsident Makarios außenpolitisch einen blockfreien Kurs. In einem solchen Wirrwarr verwundert es nicht, dass sich die beiden Volksgruppen für die voraussehbaren Konflikte rüsteten. Waffen wurden ins Land geschmuggelt und paramilitärische Organisationen gebildet.
Im dritten Teil seines Bandes diskutiert der Autor den schon fast erwartbaren Bürgerkrieg der Jahre 1963 und 1964. Einer britischen Peace-Keeping-Force gelang vorerst eine Trennung der Konfliktaustragenden. Die UNO formierte ihrerseits die UNFICYP, deren Personal fortan für Ruhe und Ordnung sorgen sollte. In dieser von Gewalt geprägten Phase vollzog sich eine forcierte Binnenmigration türkischer Zyprioten und es entstanden türkische Siedlungszentren.
Die Auseinandersetzungen auf der Insel beeinflussten auch die Beziehungen der Mutterländer. Spannungen zwischen den beiden NATO-Staaten Griechenland und Türkei konnten jedoch den Vereinigten Staaten in Zeiten des Kalten Krieges nicht recht sein. Es folgte als Konsequenz eine vermehrte Einmischung Washingtons in die Konflikte vor Ort.
Abschließend untersucht Heinz A. Richter die Zeit nach dem Bürgerkrieg. Sie ist geprägt von zahlreichen Vermittlungsversuchen von Seiten der USA und der UNO. Letztlich gab es jedoch ausreichend viele Akteure vor Ort, welche diese Bemühungen zum Scheitern bringen wollten.
Heinz A. Richter gelingt es, in seinem dritten Band der Geschichte der Insel Zypern die komplizierte politische Gemengelage während der ersten Jahre der zypriotischen Unabhängigkeit anschaulich dazustellen. Ausführlich beschreibt er, dass neben den unterschiedlichen lokalen politischen Interessengruppen auch regionale und global agierende Akteure die Politik des Staates bestimmen bzw. beeinflussen wollten. Eine Destabilisierung des politischen Systems der Insel war die zwangsläufige Folge. Die Politik fand folglich keine Lösung, die bestehenden Konflikte auf der Insel friedlich zu regeln. Doch wie sollte es ihr auch gelingen? Heinz A. Richter bringt es auf den Punkt, wenn er schreibt, dass sich damals keine zypriotische nationale Identität etablierte, die dem Staat seine Legitimation gegeben hätte. Stattdessen gab es griechische und türkische Zyprioten und sie betonten vielmehr ihr Griechisch- bzw. Türkischsein. Vielleicht der entscheidende Aspekt der profunde dargestellten Krise.
Berlin, den 23. Juni 2008 / Erschienen in Südosteuropa Mitteilungen