Vor siebzig Jahren fand auf der Insel Kreta eine der ungewöhnlichsten Schlachten des Zweiten Weltkrieges statt: Es war die erste Luftlandeoperation zur Eroberung eines großflächigen Territoriums. Dabei war die angreifende Partei den Verteidigern nicht nur zahlenmäßig unterlegen. Die Verteidiger kannten zudem die Angriffspläne und verloren trotzdem.
Der Griechenland-Experte Heinz A. Richter hat nun ein spannendes Buch hierüber geschrieben. Er schildert fast schon minutiös die Eroberung der Insel Kreta durch die deutsche Wehrmacht und die militärische Unterstützung seitens ihres italienischen Verbündeten. Dem Autor ist hoch anzurechnen, dass bei seinen Ausführungen keine zweifelhafte Landserromantik bedient wird. Hierfür sorgt schon alleine ein Perspektivwechsel, der auch der britischen Kriegspartei und ihren Verbündeten breiten Raum zugesteht.
Zu den Verteidigern der Insel zählten Irreguläre, kretische Partisanen, welche aufgrund ihrer schlechten Bewaffnung deutsche Soldaten zumeist aus dem Hinterhalt attackierten. Was als Reaktion wiederum so genannte Sühnemaßnahmen provozierte. Spätestens hier sieht Heinz A. Richter aus einem „sauberen“ Feldzug einen „schmutzigen“ Krieg werden. Wobei natürlich diskutiert werden kann, wo die Grenzen zu ziehen sind zwischen erlaubten und nicht erlaubten Töten. Mit anderen Worten: Gibt es überhaupt „saubere“ Feldzüge?
Abseits dieser Frage schlüsselt das Buch den Sinn und Zweck der Eroberung Kretas auf. Heinz A. Richter erklärt die strategische Bedeutung der fünftgrößten Mittelmeerinsel und bettet gekonnt das dargestellte Kriegsgeschehen in eine Analyse der politischen Rahmenbedingungen. Auf diese Weise entsteht ein Gesamtüberblick, der Operation Merkur nicht nur für Militärhistoriker lesenswert macht. Das Buch ist vielmehr allen Interessierten am Verlauf des Zweiten Weltkrieges zu empfehlen.
Heute lohnen Besuche der nachdenklich stimmenden Soldatenfriedhöfe und Gedenkorte Kretas, die an die Kämpfe von vor siebzig Jahren erinnern. Das eigentliche Geschehen ist dagegen immer weniger Menschen bekannt. Das Buch von Heinz A. Richter ist ein Beitrag, um dieses Kapitel deutscher, griechischer und angelsächsischer Geschichte wieder in Erinnerung zu rufen.
Berlin, 10. Februar 2011 / Erschiene in Griechenland Zeitung